Was macht ein gutes Bild aus
Diese Frage bekam ich unlängst bei einem Interview gestellt. Da ich nur drei bis vier Sätze sagen durfte, hier ein paar ausführlichere Gedanken.
Ich antwortete bei dem Interview mit Henry Cartier Bresson: „Ein gutes Bild ist eines, dass man länger als eine Sekunde anschaut.“ Den Großteil der Bilder, mit denen wir täglich überflutet werden, klicken wir gelangweilt weg, weil wir sie schon tausendmal so ähnlich gesehen haben. Ein gutes Bild ist eines, das uns gefangen nimmt, weil es uns etwas erzählt, das uns bewegt.
Ich vermute, das war nicht die gewünschte Antwort. Ich denke, die Interviewerin wollte von mir Hinweise zu Belichtung, Schärfe und Bildaufbau hören. Aber ein gutes Foto hat für mich eben nur am Rande mit der technischen Perfektion von Fotozeitschriften zu tun. Die entscheidende Frage ist am Ende: Bleibt das Bild in Erinnerung?
Aber wie entsteht ein solches Bild? Ich habe natürlich kein Patentrezept. Ich kann nur ein paar Dinge von meiner Arbeitsweise als Reportagefotograf erzählen
Das Foto beginnt meistens lange bevor ich die Kamera in die Hand nehme
Ein gutes Reportagefoto ist selten ein aus der Hüfte gemachter Schnappschuss, auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht. Das gilt noch mehr für eine ganze Serie von Bildern über ein komplexes Thema. Der Fotograf braucht Wissen über das, was er fotografiert. Er muss, wie ein Schwamm alles aufsaugen, was mit dem Thema zu tun hat. Nur dann findet er die Motive, die er braucht, um die Geschichte zu erzählen.
Nichts mit einem Schnappschuss zu tun hat es auch den Protagonisten einer Reportage dafür zu gewinnen sich von mir begleiten und fotografieren zu lassen. Die Kunst ist es, eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, damit der andere mich und meine Kamera vergisst. Das ist wohl die entscheidende Schlüsselqualifikation eines guten Reportagefotografen. Erst danach beginnt die eigentliche Arbeit mit der Kamera. Und auch die ist natürlich keine schnelle Sache. Man probiert unterschiedliche Perspektiven und Belichtungen und wartet dann konzentriert auf den Moment, in dem Mimik und Interaktion der Personen stimmen. Und es kann schon sein, dass das ein Warten auf einen Moment ist, der nie kommt.
All das ist Schwerstarbeit, die man in den Bildern nicht sieht und nicht sehen soll. Und trotzdem — ich liebe meinen Beruf. Es ist jedes mal ein Glücksgefühl, wenn mir ein Bild gelingt, bei dem ich das Gefühl habe, ich bin dem Anspruch von Henry Cartier Bresson gerecht geworden.