Viel zu provokante Fragen und warum ich eine Antwort darauf bekam

Immer wieder werde ich nach meinen Marokko Vorträgen von Besuchern gefragt, wie ich Sadia und Ghalia kennengelernt habe, die beiden so beeindruckende Frauen, die in dem Vortrag von ihrem Leben erzählen. Daher hier etwas ausführlicher als im Vortrag, wie die beiden Interviews entstanden sind

Zunächst zu Sadia, der gläubigen Muslimin, die sehr offen meine provokanten Fragen beantwortet: Warum schwitzen sich marokkanische Frauen im Hochsommer mit Schleier und Djellaba ab? Warum lassen sich so viele Frauen von ihren Männer zur Hausfrau und Bedienerin degradieren und stellen sich nicht auf die Beine? 

Wie bei fast allen Leuten, von denen ich in meinen Vorträgen erzähle, war es reiner Zufall, dass sie mir über den Weg gelaufen ist. Sie saß in einem Sammeltaxi von Marrakech nach Essaouira neben mir. Und nichts ist in Marokko leichter als mit einem Fremden in einem Sammeltaxi ins Gespräch zu kommen. Ich merkte sofort von der Frau mit ihrer Eloquenz und ihrer reflektierenden Art kann ich etwas lernen. Beim Aussteigen bat ich sie daher um ihre Telefonnummer, ich hätte noch tausend Fragen an sie. 

Arabische Gastfreundschaft

Zwei Wochen später saß ich mit Sadia und ihrem Mann in ihrem gediegen eigerichteten Haus am Rand von Essaouira beim Essen. Es wurde ein Gang nach dem anderen serviert. Und wie immer bei Einladungen bei einer arabischen Familie gab es kein Erbarmen. Der Gast darf nicht nur behaupten, dass es ihm schmeckt. Er muss es beweisen. Nach der Nachspeise und drei Tassen Tee passierte etwas für arabische Verhältnisse Ungewöhnliches. Sadias Mann ging mit Freunden in ein Café und ließ mich mit ihr alleine. Der Grund: Es war Fußball WM und er wollte mit Freunden in einem Café Fußball schauen. Und das war meine Chance. Ich warf Sadia all die Fragen an den Kopf, von denen ich schon lange wissen wollte, was eine arabische Frau darüber wirklich in ihrem tiefsten Inneren denkt. 

Offen Worte

Die meisten anderen Frauen hätten meine Fragen abgeblockt oder überhaupt gar nicht mit mir alleine – ohne ihrem Mann – gesprochen. Nicht Sadia. Sie hat vor ihrer Ehe studiert, hat im Tourismus gearbeitet und war sogar die erste weibliche Fremdenführerin in Essaouira. Die Rolle der traditionellen arabischen Frau, in die sie durch Ehe und Kinder hineingeschlittert ist, ist weit weg von dem, was sie sich damals erträumt hat. Mit meinen Fragen traf ich daher Sadia ins Herz und sie sprudelte los. Außerdem mochte sie mich. Ich war für sie eine Art dritter Sohn, den sie bei seiner Arbeit unterstützen wollte und ich durfte das Gespräch sogar für meinen Vortrag aufzeichnen. 

Schizophrenes Leben

Etwas anders war es beim Treffen mit Ghalia, der Unabhängigkeitsaktivistin aus der von Marokko besetzen Westsahara, nach der ich ebenfalls immer wieder gefragt werde. Sie war ausnahmsweise keine Zufallsbekanntschaft. Ich hatte ihre Kontaktdaten von einer Menschenrechtsorganisation und habe das Treffen mit ihr im Vorfeld über verschlüsselte Messenger vereinbart. Anders wäre es nicht möglich gewesen, an sie heranzukommen. Ein Heer von Spitzeln, Zuträgern, Lauschern und Aufpassern überzieht die Westsahara und mehrere Kollegen, die hier recherchiert haben, wurden binnen kürzester Zeit von der Polizei außer Landes gebracht. Von Leuten auf der Straße wären kaum offen Aussagen zu erwarten gewesen. Wie Ghalia mir sagte, führen viele Saharauis ein Schizophrenes Leben. Sie haben Angst vor Benachteiligungen und zeigen daher in der Öffentlichkeit ein anderes Gesicht als zu Hause.

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